
Dreigliederung in der Waldorfschule
hat am 5. und 6. März 2021 mit Michael Harslem stattgefunden
Was bedeutet es heute, wenn wir die Waldorfschule nach den Prinzipien der sozialen Dreigliederung organisieren?
Rückmeldungen
Das Seminar “Dreigliederung in der Waldorfschule“ war für uns Vorstandsmitglieder der Freien Waldorfschule München Südwest ein toller Auftakt zu mehreren Seminaren des Netzwerkes der WaldorfgeschäftsführerInnen, die wir gemeinsam zur Teambildung besuchen wollen. Aufgrund der Ausführungen und gemeinsamen Diskussionen ist es uns gut gelungen, den Ansatz der Dreigliederung des sozialen Organismus in die direkte Anwendung für unsere Schule zu bringen.
Diese Arbeit mit der Dreigliederung als erkenntnisleitender Idee hat uns gezeigt, wie wichtig es ist zu sehen, wo welches Thema, welche Themenbearbeitung in der Schule hingehört. Es hat auch die Problematik erhellt, die entsteht, wenn ein Thema im falschen Bereich der Dreigliederung angesiedelt wird, was es dann für Auswirkungen auf die Schule, ihre innere Organisation und nicht zuletzt auf ihre Kinder hat.
In diesem Zusammenhang hat uns besonders die Zuordnung des Unterrichts als die primäre Aufgabe der Schule zur Befriedigung der Bedürfnisse der Kinder nach Entwicklung, also zum von Steiner definierten Bereich des Wirtschaftslebens der Schule als einem Organismus des Geisteslebens beschäftigt und zu umfangreicher Diskussion geführt. Das hat uns erneut die Mission der Schule, ihre tatsächliche Aufgabe, vor Augen geführt: die Befriedigung der Bedürfnisse der Kinder.
Oliver Altehage, Geschäftsführung FWS München-Südwest
Am 5. und 6. März 2021 fand in Weimar auf Schloss Ettersburg eine Fortbildung des Netzwerkes für Waldorf-Geschäftsführer*innen zum Thema soziale Dreigliederung in der Waldorfschule mit Michael Harslem statt. Teilgenommen haben Geschäftsführer*innen und Vorstandsmitglieder von Waldorfschulen in allen Teilen Deutschlands. Das Seminar bestand aus Vorträgen, anschließenden Diskussionen und Gruppenarbeiten sowie sozialkünstlerischen Übungen.
Grundliegendes Anliegen des Seminars war es, das als Weltgestaltungsprinzip erdachte Prinzip der sozialen Dreigliederung von Rudolf Steiner als eine erkenntnisleitende Idee für die Organisation und Gestaltung von Waldorfschulen zu aktualisieren. Konsens war, dass es ein Gestaltungsprinzip ist, das zwar nicht unmittelbar für die Gesellschaft gilt aber doch für die Einrichtung von Waldorfschulen in Anschlag gebracht werden kann.
Als Gestaltungsprinzip zeichnet sich das Prinzip der sozialen Dreigliederung zunächst dadurch aus, dass ihm keine Polaritäten, keine zweistelligen Relationen, sondern eben eine Dreigliederung zugrunde liegt. Die drei Glieder des Gesellschaftlichen oder Sozialen sind laut Steiner das Geistesleben, das Rechtsleben und das Wirtschaftsleben. Diesen drei Gliedern sind je eigene Funktionen oder Wirkungsprinzipien zugeordnet. Im Anschluss an die französische Revolution verortet Steiner das Wirkungsprinzip der Freiheit im Geistesleben, das Wirkungsprinzip der Gleichheit im Rechtsleben und das Wirkungsprinzip der Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben. Als die drei Glieder des sozialen Organismus sind sie stets zu dritt wirksam.
So auch im sozialen Organismus Schule. Als Erziehungs- und Bildungseinrichtung kommt der Schule im Sinne Steiners die wirtschaftliche Aufgabe zu, dem Bedürfnis der Kinder (und ihrer Eltern) nachzukommen, zu reifen und sich zu einer selbstständigen Persönlichkeit zu entwickeln. Es ist also die wirtschaftliche Aufgabe der Schule, den Kindern in ihrer Erziehung mitzugeben, was ihnen zu einer selbstbestimmten Lebensform verhilft. Um dieser Aufgabe gerecht werden zu können, ist ein assoziatives Handeln innerhalb des Lehrkörpers nötig, in dem ein umfassender Blick auf die jeweiligen Bedürfnisse der Schüler*innen entwickelt wird. Zum Reifungsprozess gehört auch die Befähigung, ein freies Geistesleben zu entfalten. Möglich wird dies nicht allein durch das Vermitteln von Fähigkeiten und Erkenntnissen, sondern auch dadurch, dass ein solches freies Geistesleben für die Schüler*innen anhand ihrer Lehrer*innen erlebbar und nachvollziehbar wird. Auch das Rechtsleben wird in der Schule gepflegt; es ist Teil der Erziehungskunst. Die Erziehungskunst soll auch das soziale Miteinander in der Schule so gestalten, dass die Schüler*innen die Möglichkeit haben, eine soziale Urteilsfähigkeit zu entwickeln. Eine Urteilsfähigkeit, die im Menschsein gründet. Eine Form des Menschsein also, die alle Menschen miteinander teilen.
Im Rahmen des Seminars stand vor allem die Form des Rechtslebens im Blickpunkt, die in der Organisation der schulischen Rahmenbedingungen gelebt wird. Es ist das Thema, das Vorstände und Geschäftsführer*innen der Waldorfschulen vorrangig beschäftigt. Budget, Arbeits- und Schulverträge, Deputate sowie verbindliche Regeln des Miteinanders und der Entscheidungsfindung sind ihr Gegenstand. Sie stehen unter dem Gestaltungsprinzip der Gleichheit. Die Frage des Seminars war, ob und wie die in den Schulen gelebten Formen der Selbstverwaltung diesem Anspruch gerecht werden können.
Eine Antwort auf die Frage haben wir darin gefunden, dass dem Organismus Schule am besten gedient ist, wenn jeder das tut, was er kann und was er gerne tut. Und, dass er dies tut, um dem gemeinsamen Ziel zu dienen, dem sich die Schule und die ihr zugehörigen Menschen verschrieben haben. Bewegt wurde, dass diesem Anspruch am besten entsprochen werden kann, indem verschiedene Teams gebildet werden, die nicht mehr als 10 Mitglieder umfassen und in denen zu Themen gearbeitet wird, die den Mitgliedern jeweils naheliegen. In der Schule sind die Themengebiete der Pädagogik grundlegend, die Frage nach den Bedürfnissen der Schuler*innen. Entsprechend bilden die pädagogischen Fragen das Zentrum der schulischen Organisation. Haben sich verschiedene Teams um Fragen der Pädagogik gebildet, bedürfen diese wiederum einer Koordination. Auch die Koordinationsleistung wird den Erkenntnissen der Organisationsforschung zufolge am besten im Team erbracht. Dieses Koordinationsteam sollte nicht mehr als 30 Mitglieder umfassen.
Bei der Zusammenarbeit in Teams und bei ihrer Koordination stellen sich die Schwierigkeiten der Willensbildung und Entscheidungsfindung. Das systemische Konsensieren, die Widerstandsmessung und der soziokratische KonsenT wurden im Seminar als Techniken der Entscheidungsfindung erörtert, die dem Bestreben entsprechen, ein Rechtsleben nach dem Prinzip der Gleichheit zu gestalten. Ein Führen auf Augenhöhe und das Treffen von Entscheidungen, die die Interessen der Betroffenen berücksichtigen, wurden als diesem Anliegen angemessene Mittel erörtert.
Viele Diskussionspunkte zeigten sich hier. Immer wieder zeigte sich, dass solche Formen der Zusammenarbeit ein Zurückstellen der je eigenen Interessen zugunsten des gemeinsamen, übergreifenden Ziels erfordert. Wichtig war der Hinweis, dass das allfällige Machtstreben einzelner Menschen egoistisch ist und regelmäßig dem gemeinsamen übergreifenden Ziel entgegenwirkt.
Ein weiteres Thema des Seminars war dementsprechend das Selbstmanagement. Steiner hat uns dazu sechs Grundübungen mitgegeben: das Üben der Gedanken- und Willensführung sowie das Üben eines Gefühlsgleichgewichts, das Üben einer positiven Grundhaltung und Unbefangenheit sowie das Ausüben von Vorurteilsfreiheit. Dies alles gehört mit Ausdauer geübt und durch Freude getragen. Ergänzt wurden diese Hinweise zum Selbstmanagement durch ein Erarbeiten des dreigliedrigen Denkens, Fühlens und Wollens. Während der Mensch im Fühlen ganz bei sich ist, schafft er durch das Denken eine Distanz zur Welt. Mit dem Wollen wirkt er in sie hinein.
Den sprechenden Abschluss in der Reihe der Seminareinheiten bildeten weitere grundlegende Hinweise auf die Menschenkunde. Steiner hat Elementarwesen beschrieben, die greifbar machen, wie sich falsche Verhaltensweisen im Sozialen bemerkbar machen. Er unterscheidet zwischen Phantomen, Gespenstern und Dämonen, die sich auf den physischen Leib, den Ätherleib oder Astralleib und ihre jeweilige Regeneration im Schlaf auswirken. So behindern schlechte soziale Einrichtungen die Regeneration des Ätherleibs. Wegweisend ist die Erkenntnis Rudolf Steiners, dass jeder Mensch jeden Morgen neu beschließen kann, sich von Phantomen, Gespenstern und Dämonen zu verabschieden und sich der Wahrhaftigkeit zuzuwenden.
Dr. Inga Fuchs-Goldschmidt, Geschäftsführerin, Freie Waldorfschule Haan-Gruiten
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