Interview in der Erziehungskunst

Interview in der Erziehungskunst

von Martin Henkel mit Ursula Grupp & Betina Jäger

Waldorfschulen sind keine gewinnorientierten Unternehmen. Ihre Kollegien verwalten sich selbst und Vorstände stehen in der Verantwortung. Vor welchen Herausforderungen stehen  Geschäftsführer:innen an Waldorfschulen? Wie bekommen sie durch das 2018 gegründete Netzwerk Unterstützung?

Martin Henkel unterhielt sich darüber mit Ursula Grupp und Betina Jäger. Ursula Grupp, Vorstand im Förderkreis für Waldorfpädagogik am Illerblick Ulm e.V., und Betina Jäger, Geschäftsführerin der Waldorfvereinigung Schwerin e.V.

Martin Henkel | Womit hat es eine Geschäftsführer:in an einer Waldorfschule zu tun?
Ursula Grupp | Oft mit Erwartungen, die ihrem Kenntnisstand oder ihrer Qualifikationen nicht entsprechen.
Betina Jäger | Und mit einer Schule, die anders funktioniert als ein Wirtschaftsunternehmen.

MH | Wie weit gehen die Erwartungen auseinander?
UG | Am Anfang haben die Bewerber:innen die Haltung: «Ich bin gut qualifiziert, das kann ich!» Das ist in der Realität anders. Der Unterschied zur Wirtschaft ist der Umgang mit dem Kollegium in der Selbstverwaltung. In dieser Struktur hat die oder der Geschäftsführer:in keinen genau definierten Platz. Sich darin zurechtzufinden, fällt vielen schwer.
BJ | In der Wirtschaft liegt der Schwerpunkt auf Zahlen oder dem Produkt. Das funktioniert an einer Waldorfschule nicht. Dort sind die Schwerpunkte Pädagogik und Ausgestaltung der Schule mit dem Fokus auf das Kind. Finanzen müssen dem dienen, nicht umgekehrt. Das zu kommunizieren, obliegt dem Vorstand, der die Geschäftsführung bestellt. Doch oft findet diese Sensibilisierung nicht statt.

MH | Wodurch funktioniert eine Waldorfschule anders als andere Bildungseinrichtungen?
BJ | Pädagog:innen an Waldorfschulen führen sich selbst. In der Wirtschaft kann man die Vermutung äußern, dass jemand einer Aufgabe nicht gewachsen ist – an einer Waldorfschule nicht.
UG | Das ist einer der Knackpunkte. In der Wirtschaft kann die Geschäftsführung auf die Qualität des Produkts Einfluss nehmen. Waldorfschulgeschäftsführer:innen können weder Sollvorgaben entwickeln, noch in dieser Hinsicht Personalgespräche führen. Immer mehr Schulen geraten in wirtschaftliche Schwierigkeiten und von Geschäftsführer:innen werden Lösungen erwartet, die naturgemäß in den pädagogischen Betrieb eingreifen. Das ist ein Konfliktfeld.

MH | Was schlagen Sie als Lösung vor?
UG | Idealerweise müsste man den Bewerber:innen schon in der Bewerbungsphase deutlich machen, was sie erwartet.

MH | Wer könnte das übernehmen?
UG | Geschäftsführer:innen aus Nachbarschulen, Landesarbeitsgruppen oder unser Netzwerk. Man könnte die Vorstände in der Bewerbungsphase unterstützen – damit sie erkennen, was sie suchen.
BJ | Viele Vorstände arbeiten ehrenamtlich, obwohl sie rechtlich und wirtschaftlich die Verantwortung tragen. Auch die Lehrer:innen haben oft eine unklare Vorstellung vom Aufgabenbereich der Geschäftsführung. Sie ordnen ihnen hauptsächlich das Geldbesorgen zu. Dass alles ineinandergreift, fehlt als Fokus.

MH | Es ergibt sich das Bild dreier Akteur:innen an einer Schule: dem Kollegium, der Geschäftsführung und dem Vorstand. Wie schafft man Klarheit darüber, wer mit welchen Rechten und welchen Kompetenzen an welcher Stelle in der Struktur steht?
BJ | Durch Aufklärung. Wir bieten im Netzwerk Fortbildungen zu Strukturen an. Dabei geht es darum, dass alle an einer Schule wissen, was sie verantworten und dass die Verantwortung dort ist, wo die Entscheidungen getroffen werden. Das soziale Feingefühl darf dabei nicht unterschätzt werden.

MH | Wieso fällt es Geschäftsführer:innen so schwer, sich in die Eigenart einer Waldorfschule einzuarbeiten?
BJ | Die besondere Führungsform wird oft nur langsam erkannt. Es wäre wichtig, sich mit Kolleg:innen zu vernetzen und sich über Wahrnehmungen auszutauschen, sei es über Fortbildungen oder persönliche Begegnungen. Leider nehmen sich viele nicht die Zeit dazu. Sie denken, sie schaffen das auch allein. Hinzu kommt, dass Geschäftsführer:innen Einzelkämpfer:innen sind und nicht in den Austausch mit Kolleg:innen gelangen.

MH | Ließe sich präventiv an dem Thema arbeiten?
UG | Ja, zum Beispiel durch Supervisionspartnerschaften. Wenn man die aufbaut, kann man in schwierigen Zeiten, wenn etwas schiefläuft, darauf zurückgreifen.
BJ | Wir bieten im Netzwerk Fortbildungen für neue Geschäftsführer:innen an. Dort kann man die Grundlagen erfahren und Menschen in gleicher Situation kennen lernen, mit denen man sich austauschen kann.

MH | Wie stellt sich die Unterstützung vom Bund in Ihren Augen aktuell dar?
BJ | Die gab es viele Jahre außerhalb der Bundesgeschäftsführer:innentagungen leider nicht, deshalb hat eine Gruppe von Geschäftsführer:innen 2018 das Netzwerk gegründet.
UG | Der Bund müsste mehr Unterstützung bieten. Die Aus- und Fortbildung der Geschäftsführer:innen ist wie die der Lehrer:innen eine Bundesaufgabe – auch wirtschaftlich. Geschäftsführer:innen spielen bei der Wirtschaftlichkeit der Schulen eine zentrale Rolle, man muss sie unterstützen und intensiver begleiten.

https://www.erziehungskunst.de/artikel/netzwerk-fuer-geschaeftsfuehrerinnen

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